franz liszt - der blinde sänger lyrics
der fürst ritt am morgen mit seinem geleit’
zur jagd aus beim frühesten strahle;
den ur und den eber verfolgte er weit;
die hörner verstummen; es ist an der zeit
zu ruh’n bei dem labenden mahle
sie sammeln am fuß einer eiche sich bald
mit speis’ und mit trank sich zu letzen
da spricht der gebieter: ++ “gar l+stig, erschallt
der becher geklirr; ++ doch ein lied hier im wald
vernähm’ ich mit sonderm ergötzen.”
ein knappe berichtet: “es wohnt dort ein mann
am bach, ++ ich entsinne mich dessen ++
ein blinder der singen gar meisterhaft kann.”
der fürst gibt zur antwort: “geh’ hin, sag’ an:
er komm’ und vergnüg’ uns beim essen!”
erquickt sind die jäger, sie säumen am ort
des liedes vergessend, nicht länger;
es setzen ihr waidwerk die fröhlichen fort.+
zur eiche derweil, auf das fürstliche wort
geht langsamen schrittes der sänger
er sucht mit dem stabe, ihn prüfend, den pfad;
im herzen erklinget dem greise
begeistertes tönen, indessen er naht;
schon reift der gedanken gesegnete saat
zusammen fügt lied sich und weise
er kommt zu dem eichbaum; ++ da schreit nur der staar
der specht nur zerhämmert die rinde;
doch wendet sein antlitz dorthin, wo die schar
der rastenden männer vor kurzem noch war
mit tiefem verneigen der blinde
“dank, fürst, für die gnade! dank sei dir und preis!
bojaren, euch allen sei ehre! hier bin ich!
welch lied soll der dürftige greis
beginnen vor diesem erhabenen kreis
das würdig der hörenden wäre?
was kund sich gegeben dem inneren sinn,++
versuch ich’s mit worten zu sagen?”
er horcht in den waldraum. ++ still bleibt es darin
er setzt auf den schwellenden rasen sich hin;
die saiten beginnt er zu schlagen
es schallt durch den hain, und den lippen entquillt
das lied immer lauter und lauter:
die schönheit, die himmel und erdenwelt füllt
und jegliches nahe und ferne gebild
mit geistigen augen erschaut er:
das edle gestein, das im süd und im nord
die berge geheimnisvoll decken;
des meeres getier, und am düsteren ort
inmitten des walds den bezauberten hort
die kämpfe verwegener recken
er preiset, was rühmlich geschah und geschieht:
der völker hochherziges ringen;
der fürsten gerechtigkeit ehret sein lied;
der gnade der mächt’gen im ird’schen gebiet
ruft’s nieder auf’s haupt der geringen
er grüßt den verfolgten, geknechteten mann
er schließet den bund mit ihm enger;
sein wort spricht dem frevler prophetisch den bann;
am schandpfahl kettet’s verurteilend an
der schwachen vermess’nen bedränger
sein denken sprießt auf, wie in goldener pracht
die ähren gedrängt sich erheben;
was längst in ihm schlief, unterdrückt von der macht
des grams und des alters, ++ ist plötzlich erwacht
zu vollem und herrlichem leben
sein antlitz erglüht, wie’s erglühte zur zeit
der hoffnungumleuchteten jahre;
gewalt auf der stirn, vom gebrechen befreit
erhebt er das haupt, ++ vom zerrissenen kleid
umwallt wie vom fürstentalare
noch nie gab das herz durch ein dichten ihm ein;
es fügtem die wechselnden lieder
so reichlich sich ein zu harmonischen reih’n. ++
und schon bl!ckt im westen mit demantenem schein
vom himmel der abendstern nieder
zu ende geführt ist des alten gesang
die augen, die lichtlosen, heben
sich aufwärts; ++ des geists voll, des macht ihn durchdrang
verstummt er; ++ die hand läßt mit schließendem klang
die saiten verhallend erbeben
doch still bleibt die stätte; ihm kund gibt sich kaum
der waldtaube girren und stöhnen
im duftenden laub; ++ und zur lichtung am baum
dringt manchmal von fern durch den waldigen raum
des rufenden jagdh+rns ertönen
ihn wundert’s daß nichts sich geregt um ihn
daß keiner geredet im kreise
sein haupt neigt sich träum’risch; ++ da schw+nket das grün
ein flüstern beginnt durch die waldung zu zieh’n
sie spricht zu dem sinnenden leise:
“du törichter alter! du bist hier allein;
du sangst an verödeter stelle!
das mahl ist beendet, getrunken der wein
zu bleiben fiel keinem der waidmänner ein
du armer, betrog’ner geselle!
die beute verfolgend, durchschweift ++ wie zuvor ++
der troß meine tauigen gründe;
es bellen die hunde, ++ du hörst es, du tor;
es stößt in die hörner im l+stigen chor
das fürstliche jägergesinde
man rief dich hierhier, ++ doch du säumtest zu lang;
es hatten, am ort zu verziehen
nicht zeit die bojaren. für deinen gesang
wird niemand belohnung dir geben, noch dank
du armer! umsonst war dein mühen!”++
“mich dünket, mein wald, mein befreundeter du
daß wahr du gesprochen dem alten
ich sang in der einsamkeit friedlicher ruh;
doch steht mir das grollen daruber nicht zu
nicht wollt ich belohnung erhalten
und wahrlich ++ hätt ich, dessen auge nicht sieht
gewußt um mein einsam verbleiben,++
nicht hemmen auch dann hätt ich können das lied
nicht das, was sich mächtig gedrängt ins gemüt
verbannen aus ihm und vertrieben
sie mögen dort jagen nach ihrem begehr
erlegen das wild, das bedrohte
das lied, das er sang, fiel dem greise nicht schwer
und ihm nicht zum tadel gereichts, noch zur ehr
denn ihm steht es nicht zu gebote
es strömt aus dem herzen wie fluten heraus
die nicht sich bewältigen lassen;
es hat das beleben des nächtigen taus
das wärmen der sonne, des sturmes gebraus
des tods unabwendbar erfassen
wem’s aufgeht im sinn, wie ein leuchtender strahl
der ist einem geiste zu eigen
ihn zeichnet der sehermacht glühendes mal;
es redet in ihm, und er hat nicht die wahl
er kann, was ihm tönt, nicht verschweigen
der gießbach rollt schäumend, von felsen umruht
er weiß nicht, ob hirten und herden
mit seiner kristallenen, blinkenden flut
verweilend an ihr in der mittagszeit glut
im tale erquicken sich werden
dem fürsten zur l+st und zur ehre begann
das lied, das vernehmen er sollte
doch weiter griff’s um sich, indem ich’s ersann
und freier und freier ergoß es sich dann
für jeden, der hören es wollte
und preis meinen hörern! ++ laß dankend mich hier
gebieterin erde, dich loben!
dem barden sei preis, der gesungen mit mir!
und preis, du mein wald, mein befreundeter, dir!
und preis den gestirnen dort oben!
und die grüß’ ich auch, die mein lied nicht gehört,++
mög’ ihnen nur heil widerfahren!
der fürst herrsche lange beglückt und geehrt!
dem volk sei beschwerdloses leben gewährt ++
und frieden den edlen bojaren!”++
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